2010 Januar - April: Gambia
 

2010 Januar - April: The Gambia, the smiling coast of Africa

Als wir Dakar in unserem Kielwasser verschwinden sahen, erinnerte das Deck der MARADY eher an einen Sandkasten für Liliputaner oder einen Tennisplatz: über und über mit einer Sandschicht bedeckt. So war eine der ersten Handlungen auf See, diesen mit eimerweise Salzwasser zu spülen.

Zudem mussten wir nun konstant Ausschau nach Fischernetzen halten. Diese sind an den Enden jeweils mit ca 30cm hohen Fähnchen markiert. Tagsüber bei glatter See sieht man die recht gut. Nachts ist das dann schon schwieriger bis unmöglich. So geschah auch das fast unvermeidliche: die MARADY fing ein Fischernetz, und zwar gleich mit beiden Hulls. Das Knirschen der Fähnchenschwimmer entlang der Rümpfe weckte Ady. Die Leinen hatten sich zwischen Ruder und Antriebspropeller verfangen und wir konnten sie nicht lösen. So blieb nur die rabiate Methode und wir schnitten die Leinen der Fähnchen weg. Dieser Fischernetzkontakt lief so noch glimpflich ab. Am folgenden Abend sahen wir dann Fischer vor uns, aber keine Fähnchen. Wir fragten sie, wo denn das Netz sei. Da die Antwort „continue“ lautete nahmen wir an, dass das Netz im Fischerboot sei. Zu spät sahen wir, dass wir direkt in das Netz rein fuhren. Die erste Reaktion des Fischerchefs (es waren 8 Personen auf dem ca 10m langen Holzboot, wobei einer zum Wasserschöpfen eingeteilt ist) machte uns gleich darauf aufmerksam, dass dies unser Fehler gewesen sei. Sie kamen dann längsseits und versuchten das Netz unter der MARADY zu lösen. Dazu gaben wir ihnen unseren guten langen Bootshaken aus Aluminium. Sie konnten jedoch das Netz nicht lösen. Dies gelang dann Ady mit dem Ruder, dass sie uns überreichten. Als das Netz frei war, ging die Diskussion los! Die Fischer banden ihr schweres Boot an den Handgriff unseres Dinghis, welches am Davit hing und verlangten 100Euro. Dabei stiessen sie mit ihrem Rumpf an unsere Davithalterung. Wir waren der Ansicht, dass der Fehler zu einem guten Teil auch bei den Fischern lag, da sie uns ja eine falsche Richtungsangabe machten. 100 Euro entspricht auch mehr als einem Monatsgehalt eines Fischers und das Netz war ja nicht mehr beschädigt als vorher. Es folgten angespannte Minuten in denen wir lautstark angeschuldigt wurden. Mit der Zeit sagten wir gar nichts mehr, Ady versuchte nur noch, den Bug des Fischerbootes von unseren Rümpfen fernzuhalten. Die Herren meinten dann, dass sie bis am Morgen bei uns bleiben würden, wenn wir nicht bezahlen. Nun, wir hatten Zeit... Nach einer unendlich erscheinenden halben Stunde sahen sie dann ein, dass wir wohl nicht klein beigeben und traten den Rückzug an.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir am 23. Januar Banjul, die Hauptstadt von Gambia.

Auch hier hiess es natürlich erst mal wieder Behörden aufsuchen. Zuerst mal die Immigration. Diese haben mich dann auch gleich mal zünftig über den Tisch gezogen: sie verlangten das 20-fache des üblichen „Bakschisch“. Sie gaben sich dann zwar mit der Hälfte zufrieden, aber ich ärgere mich noch heute darüber, dass wir uns nicht im Vorfeld informiert hatten. Mit Ady's Beistand, der das Dinghi bewachte, wäre uns das wohl auch erspart geblieben.

Als wir einen Monat später von unserm Ausflug in's Landesinnere nach Banjul zurückkehrten beschwerten wir uns dann erfolgreich am Hauptsitz der Immigration: der volle Betrag wurde uns zurückerstattet! Die Beamten werden sicher auch in Zukunft ihr geringes Gehalt auf diese Weise aufbessern, aber es zeigt doch, dass die Aussage des Präsidenten, die Korruption zu bekämpfen, ernst zu nehmen ist.

Banjul erinnert eher an ein Dorf als an eine Hauptstadt: Die Strassen sind von Löchern durchzogen und sind Tummelplatz für Ziegen und Hühner. Und alles sehr staubig! Da Banjul auf einer Insel liegt kann die Stadt nicht weiter wachsen. Deshalb ist der Nachbarort Serekunda umso grösser. Neben einem grossen Markt gibt es auch viele Hotels in denen Touristen ihren Strandurlaub geniessen.

Wir zogen gleich weiter in die Lamin-Lodge, ein ruhiger Ankerplatz inmitten Mangroven: dort lagen unsere Freunde Renate und Lothar mit der Catorion vor Anker. Zusammen mit weiteren, vor allem deutschen Yachten.

Lange blieben wir nicht in der Lamin Lodge. Zusammen mit der „Catorion“, „Aorai“ und „Mira“ machten wir uns auf die abenteuerliche Reise auf dem Gambia in's Landesinnere. Das englisch sprechende Land Gambia ist ein max 50km breiter Landstreifen der sich zu beiden Seiten dieses Flusses in den französisch sprechenden Senegal erstreckt. Diese Distanz soll der Reichweite der Kanonen der ehemaligen Kolonialmacht England entsprechen, welche sich vom Fluss aus behauptete. Die Gezeiten sind noch mindestens bis 300km stromaufwärts aktiv. Wir liessen uns deshalb von der Tide landeinwärts spülen. Bei ablaufender Tide ankerten wir irgendwo auf dem Fluss, dessen Ufer von dichten Mangroven gesäumt ist. Darin hausen x Arten von Vögeln und am Wasser tummeln sich unter Anderen Reiher und Pelikane. Mehrere Male begleiteten uns Delfine, welche deutlich grösser sind als die bisher im Atlantik getroffenen Artgenossen.

Was sich hinter diesem dichten grünen Vorhang aus Mangroven befindet blieb uns verborgen bis Farafeni, wo wir das erste Mal im Landesinnern an Land gingen.

Als Transportmittel entschieden wir uns, zusammen mit Marion und René von der „Mira“ für einen öffentlichen Bus. Die richtige Linie war bald mal gefunden und wir setzen uns in das Gefährt. Die Busse in Gambia sind nicht so bunt bemalt wie die in Dakar, dafür muss jeder Passagier einen Sitzplatz haben. Gefahren wird aber erst wenn das Vehikel voll ist. So hatten wir auch fast eine Stunde Zeit, um das quirlige Leben an diesem wichtigen Fährübergang zu studieren.

In der Stadt gingen Marion und ich auf den Markt, während Ady in Begleitung von René ein Stück Fleisch erhandelte um dieses zu trocknen. Nach langen Verhandlungen war er stolzer Besitzer eines mit Sehnen durchzogenen Stück toter Kuh.

Marion und ich wurden in der Zwischenzeit von einer Familie, die einen kleinen Gemüsestand hatte, zum Mittagessen eingeladen. Die Leute haben tatsächlich ihr Mahl mit uns geteilt, obwohl sie alles andere als vermögend sind! Und geschmeckt hat der mit den Fingern gegessene Eintopf mit Reis hervorragend!

Auf dem Markt ist trotz fortgeschrittener Trockenzeit doch einiges an Gemüse erhältlich. Bei den Früchten beschränkt sich das Angebot auf Orangen, Bananen und importierte Aepfel. Diese werden nicht in Kilo sondern stückweise verkauft, d.h. es werden kleine Berge der Früchte aufgeschichtet. So kosten z.B. 5 schöne Orangen 20 Dalasi, ca 80 Rappen. Die Preise auf den Märkten sind recht einheitlich, feilschen kann man nur wenn man grössere Mengen kauft.

Nach Farafeni nahm der Salzanteil im Flusswasser merklich ab und die „MARADY“ kam wohl das erste Mal in ihrer Existenz in Süsswasser zum Einsatz.

Auch das Ufer änderte sich nun: von Mangroven zu Schilf und dann zu Dschungel mit Palmen, auch die imposanten Baobab Bäume gehörten zur Kulisse. Wir hatten das Gefühl, durch das Paradies zu gleiten!

Da wir, im Gegensatz zu unseren Reisebegleitern, den Motor nur ausnahmsweise benutzten versuchten wir diese auch mit „Nachttreiben“ einzuholen, was uns auch immer mal wieder gelang. So auch kurz vor Georgetown. Marion hatte am Ufer Bananenstauden ausgemacht und René hat etwas weiter bereits einige Hütten entdeckt. Also gingen wir gemeinsam an Land um zu schauen, ob es denn Bananen zu kaufen gäbe. Bei dem Besitzer der Bananenstauden handelt es sich um einen Mann aus Guinea-Bissau der neben dem Feld Ziegelsteine aus Erde formte. Aus diesen baut er sich ein Haus und hofft, seine Familie aus der Heimat nachkommen zu lassen. Seine wenigen Habseligkeiten waren in einem Baum und im „Hochbett“ auf Stelzen verstaut. Und obwohl er auch nicht auf Rosen gebettet ist, schenkte er uns die Bananen und wollte nichts dafür haben! Leider konnten wir uns mit ihm kaum verständigen da er Wolof oder Mandika oder sonst was spricht und nur einige Brocken französisch. Wir bedankten und dann doch mit leeren Wasserkanistern und Zigaretten.

Zusammen mit Marion und René durchstreiften wir in der Mittagshitze die Savanne. Susi und Tom von der „Aorai“ waren barfuss unterwegs. Die heisse Erde verbrannte ihnen jedoch fast die Füsse, und auch Dornen lassen sich mit einer Schuhsohle besser verkraften. Deshalb verzichteten sie auf den Mittagsspaziergang.

Bevor wir zurück auf die Boote gingen, machten wir noch einen kleinen Rundgang zu den verstreuten Hütten. Bei einer stand ein etwas älterer Herr und lächelte uns freundlich an. Irgendwie kamen wir in's Gespräch, auch wenn wir keine gemeinsame Sprache haben. Yusuf lebt mit seiner Frau und den drei Kindern (das jüngste 2 Wochen alt) in zwei Rundhütten am Fluss, um das penibel saubere Gehöft sind Felder angelegt. Als Yusuf sah, dass Ady und ich das Innere einer Baobab Frucht lutschten öffnete er kurzerhand einen Sack und gab uns einen Beutel voll dieses leicht säuerlich schmeckenden, vom Aussehen her an Styroporbrocken erinnernden Fruchtfleisches. Dieses wird mit kaltem Wasser angesetzt und so getrunken. Schmeckt „nature“ etwas gewöhnungsbedürftig, soll aber viel Vitamin C enthalten. Gekühlt und mit Zucker und Honig gesüsst schmeckt das Getränk jedoch sehr erfrischend! Damit war aber der Gastfreundschaft noch nicht genug: Yusuf nahm auch die Hake und grub jedem eine Kasawawurzel aus. Dass man diese auch roh essen kann wussten wir vorher nicht, gekocht schmecken sie jedoch besser. Als wir gingen wurde uns auch noch ein Beutel Erdnüsse geschenkt! Da wir ausser einer Kamera nichts dabei hatten revanchierten uns später mit Seife, Orangen und Farbstiften und Papier für die Kinder. Auch die „Mira“ zeigte sich natürlich mit Gegengeschenken erkenntlich.

Der nächste Ankerplatz war dann auch der letzte auf unserer Reise in's Landesinnere. Bei Georgetown, das heute Janjanbureh heisst, versperrt eine auf ca 17m durch hängende Telefonleitung die Weiterfahrt. So packten wir die Gelegenheit um uns diese früher florierende Stadt näher anzusehen. Georgetown war ein bedeutender Sklavenhandelsplatz. Nachdem diese unmenschliche Sitte in Amerika verboten wurde, fanden einige der zurückgekehrten ehemaligen Sklaven in Georgetown eine neue Heimat. Seit der Unabhängigkeit Gambias hat die Stadt jedoch an Bedeutung verloren und die Bewohner leben in mit Wellblech gedeckten Hütten. Darin muss es sehr heiss werden, aber Wellblech gilt als modern.

Auf der Insel gibt es ein besseres Hotel und ein „Bird Safari Camp“ (www.hiddengambia.com). Dadurch ist der Ort an Touristen gewöhnt. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Kinder und Jugendliche recht forsch um Gaben betteln, sei es ein Farbstift, ein Fussball oder Bargeld. Diese Minderheit übertönt fast den sehr freundlichen Grossteil der Bevölkerung.

In einem Laden etwas ausserhalb des „Zentrums“ lernten wir Samba und Lamin kennen. Beide sind so um die zwanzig, Lamin arbeitet bei der Post und Samba ist Kuhhirte. Da die sympathischen Herren sehr gut englisch sprechen, luden wir sie auf die MARADY ein. Sie waren sehr stolz darauf als wir ihnen sagten, dass wir nur sehr selten fremde Leute auf unser Schiff lassen. Mit ihnen sprachen wir über Gott und die Welt und erfuhren so einiges aus ihrem Leben. Beide beherbergen zuhause neben ihrer Familie auch noch Schüler. Diese besuchen unter der Woche die höheren Klassen in Janjanbureh und können nicht täglich von ihren abgelegenen Dörfern in die „Stadt“ reisen. Die Eltern verfügen aber um kaum ausreichen Mittel um die Schule (Grundstufe 10Dalasi/Monat, ca 40Rappen) und die Schulkleidung und Bücher zu bezahlen. Also kommen die Gastgeber für die Kinder auf.

Lamin verdient bei bei der Post 650 Dalasi/Monat, diese gut 200CHF entsprechen einem guten Gehalt (dieses wird durch „Bakschisch“ aufgebessert). Ein 50kg Sack Reis kostet ca 750 – 900Dalasi. Für eine ca 15 köpfige Familie reicht so ein Sack nicht weit! Auch hier können viele nur überleben weil die, die einen Verdienst haben, diesen mit der ganzen Familie teilen.

Wie überall auf der Welt in armen Ländern ist der Begriff Umweltschutz auch hier nicht gross geschrieben. Unser Abfallsack wurde uns schon beim Anlanden mit dem Dinghi abgenommen. Dieser wurde dann nur wenige Meter entfernt am Ufer aus gekippt und nach noch verwertbarem durchsucht. Ady wollte den Kindern klar machen, dass wenn sie den Abfall einfach in den Fluss schmeissen die Fische sterben und das Wasser auch für die Menschen giftig wird. Ob seine Erklärungen Spuren hinterlassen werden ist eher zu bezweifeln. Der offizielle Müllplatz ist auch nur wenige Schritte vom Ufer entfernt, eine offene Grube. Und den Müll von der Strasse auflesen käme keinem in den Sinn.

Später, zurück an der Küste erfuhren wir, dass jeden zweiten Samstag im Monat „cleanig day“ ist. Dann muss jeder Bürger von 09.00 bis 13.00 Abfall auflesen. Auch der Präsident soll sich daran beteiligen. Als ich am Montag nach dem „cleaning day“ nach Banjul fuhr war das Ergebnis deutlich sicht- und riechbar: riesige Berge Abfall wurden verbrannt und der beissende Rauch zog über die Strasse. KVA's kennt man hierzulande nicht.

Eher etwas befremdend war für mich dass, wenn wir durch die Strassen liefen, Kinder ohne Worte meine Hand nahmen und mit uns gingen. Andere riefen uns lachend und winkend „Toubab“ zu, was soviel heisst wie „Weisser“ oder „Fremder“. In Regionen mit Tourismus werden Weisse wie vorhergehend beschrieben auch recht forsch um Gaben angebettelt. Man kann es den Kindern nicht verübeln. Mehr als einmal konnten wir beobachten wie Touristen „milde Gaben“ verteilten, teilweise auch einfach aus dem fahrenden Fahrzeug warfen. Mir kam jeweils fast die Galle hoch. Trotzdem musste ich lachen, als ein Dreikäsehoch mich aufforderte „give me whisky“. Es dauerte eine Weile bis ich begriff dass ich keinen Alkoholiker vor mir hatte: der Bengel wollte biscuits!

Überhaupt ist die Beziehung zwischen weissen Touristen und Schwarzen nicht einfach. Viele Urlauber rechnen die Preise in ihre Währung um und finden dann die Preise sehr billig und bezahlen oft freiwillig ein mehrfaches des geforderten Preises. Für den nächsten Touri werden dann schon höhere Preise verlangt und es ist nur eine Frage der Zeit bis die Preise für alle steigen. Trotzdem möchte man den Leuten helfen, ihren Alltag zu meistern. Man könnte über diese Problematik stundenlang diskutieren. Wir von der MARADY hielten es so dass wir uns nach den üblichen Preisen erkundigten und diese bezahlten. Schliesslich sind unsere Geschäftspartner mündig und wir wollen nicht aus reicher Überlegenheit Almosen verteilen. Einmal gaben wir MLG, den wir als Freund auf die MARADY einluden ca 4 CHF. Damit konnte er mit dem Bus zurückfahren und es blieb ihm noch genügend Geld um ca 4 Stunden in's Internetcafé zu gehen. Wir freuten uns sehr als er uns wenig später eine e-mail schrieb: er hatte zuvor keine e-mail Adresse und auch Google war ihm fremd.

Die Armut treibt aber auch noch andere Blüten. Wir lernten etliche Männer kennen, die viel Marihuana rauchen. Gras ist sehr billig und vertreibt angeblich den Hunger. Viele rauchen bereits nach dem Aufstehen ihren ersten Joint, so können sie auf das Frühstück verzichten. Dabei handelt es sich beileibe nicht um Nichtstuer sondern um Leute die einer Arbeit nachgehen!

Unvergesslich bleibt sicher auch der „Schulbesuch“ in Farafeni: In der Schule werden 1000 Schüler in zwei Schichten unterrichtet, eine am Morgen 5 Stunden und die andere am Nachmittag. Pro Klasse werden rund 45 Schüler unterrichtet, Mädchen und Jungs zusammen. Es gibt längst nicht 26 Pulte, bis zu 4 Schüler sitzen an einem Pult. Auch die abgegriffenen Schulbücher müssen geteilt werden. Für den Frontalunterricht haben die Lehrkräfte neben einer abgewetzten Tafel nur einige Steine und ähnliches zur Verfügung. Die Wände könnten alle einen neuen Anstrich gebrauchen. Ein höchst motivierter Lehrer führte uns (ich besuchte die Schule zusammen mit Selinda und Paul von der „Mupfel“) durch die Klassen und meistens wurde uns ein kleines Lied vorgesungen zu dem der Lehrer tanzte und klatschte.

Für Mädchen ist der Besuch der Grundschule kostenlos, der Präsident kommt für die Kosten auf. Naja, er wird dies nicht aus seinem Privatvermögen begleichen...

Auch wenn seine Exzellenz Dr Yahya Jammeh durch einen Putsch an die Macht kam (wohl die häufigste Art eines Regierungswechsel in Afrika) wird er doch von grossen Teilen der Bevölkerung geschätzt. Seine angeblichen Fähigkeiten, Krankheiten wie Aids und Diabetes zu heilen bezweifeln nur wenige, schliesslich wird dieser Zauber täglich im Fernsehen übertragen. Die Regierung setzt sich ein für Strassenbau und Bildung. Um den Tourismus zu fördern werden jenen, die Weissen Schaden zufügen (damit ist auch Belästigung gemeint) mit Gefängnis gedroht. Neben der nicht gerade effizienten Landwirtschaft verfügt das Land kaum über Industrie. Alles wird importiert und ist entsprechend teuer. Auch bei Gemüse und Früchten reicht die Eigenproduktion längst nicht aus, um den Bedarf zu decken. Deshalb werden viele Nahrungsmittel importiert, leider vor allem subventionierte Überschüsse. So werden z.B. Zwiebeln aus Holland containerweise eingeschifft. 18 kg kosten 300Dalasi (ca12CHF), zu dem Preis lohnt es sich für die hiesigen Bauern kaum, Zwiebeln anzupflanzen. Bei Eiern und Geflügel sieht es ähnlich aus, wir hatten Mühe, frische Eier aus lokaler Produktion zu erstehen, die meisten in Angebot kommen aus Holland.

Der Präsident hat deshalb eine „back to the land“ Kampagnie lanciert und betreibt in der Nähe der Hauptstadt eine Musterfarm. Wir sahen Mr. Jammeh nur zweimal mit seinem Gefolge auf der Strasse vorbeirauschen: zuerst kommt ein Jeep mit Scharfschützen auf der Ladefläche mit übersetzter Geschwindigkeit um die Strasse zu räumen. Danach folgen weitere Polizei- & Armeefahrzeuge. Im Mittelfeld dann zwei HummerLimousinenpickups mit verdunkelten Scheiben. In einem sitzt der Präsident, im anderen ein Double. Aus einem der beiden Fahrzeuge werden Bisquitpackungen für die winkende Bevölkerung geworfen, auf der Ladefläche wieder Scharfschützen. Nach seiner Exzellenz folgt auch noch ein Krankenwagen. Der ist nicht etwa für den Präsidenten bestimmt. Nein nein: es kommt immer mal wieder vor, dass beim Durchzug der präsisiaöen Karavane Leute an- oder totgefahren werden. Die Ambulanz kümmert sich dann um die Toten oder Verletzten.

Aber lassen wir die Regierung und den Präsidenten in Ruhe, wahrscheinlich wird er bei den nächsten Wahlen rechtmässig bestätigt.

Für uns war jeder Marktbesuch ein neues Erlebnis: die Leute hatten Spass, sich mit uns zu unterhalten. Wenn jemand kein Englisch sprach kam zuverlässig jemand vom Nachbarstand um zu übersetzen. So haben wir auch die eine oder andere Leckerei entdeckt deren Namen wir nicht behalten konnten. So z.B. durch den Fleischwolf gedrehte Blätter (werden in Oel gebraten und mit Gemüse zu Reis gegessen, schmeckt sehr grün!), frittierte Teigbällchen (machen süchtig), fermentierte Bohnen (ergeben gestampft eine Suppe), orange, getrocknete Früchte eines Strauches (enthalten viel Vitamin C, als Snack serviert wird der Stein abgelutscht), Samen aus Bohnenhülsen eines Strauches (sollen geröstet und gemahlen als Kafeeeersatz dienen, schmeckt aber eher nach Tee), lokales Palmöl (färbt die Speisen schön rot, es gibt hier meines Wissens keine industrielle Palmoelgewinnung) oder Erdnussbutter aus frisch gerösteten Nüssen (gehört für Ady in's Paradies). Im Land der Erdnüsse wird aber vor allem billiges Palmöl aus Asien verbraten. Obwohl Erdnussöl hervorragend schmeckt gilt klares Palmöl aus Asien als „modern“ und ist zudem eher billiger. Das dort nur Monokulturen auf gerodeten, schnell auswaschenden Urwaldböden Gewinn bringen kann hierzulande nicht in Frage gestellt werden.

Auch wenn das Wetter sonst eher ein Verlegenheitsthema ist, möchte ich doch noch einige Worte darüber verlieren: In der Trockenzeit, die von November bis Mai dauert, scheint die Sonne täglich und heizt im Landesinnern auf 40°C im Schatten auf. Nachts kühlt es jedoch auf angenehme 18°C ab, so dass man gut schlafen kann. Die trockene Luft ist für uns zudem ideal um Gemüse und Früchte zu trocknen um dann irgendwann auf dem Atlantik darauf zurückgreifen zu können. Konservierung wird hier nicht praktiziert. Die Familienfrauen gehen täglich auf den Markt und kaufen was sie sich gerade leisten können und bekochen die Sippschaft. Grossfamilien wohnen in Compounds zusammen und es obliegt der Hausherrin, alle satt zu kriegen. Immerhin führt dies dazu dass Frauen in diesem islamisch geprägten Land sehr hoch geschätzt werden. Der Respekt vor den Vätern ist sehr hoch, aber wir haben mehr als eine von Herzen kommende Lobpreisung der Mutter gehört. Mit Ehefrauen hatten wir wenig direkten Kontakt.

Auch zur Natur gäbe es viel zu sagen, denn die Fauna am Gambia ist sehr vielfältig: Wir sahen Pelikane, Delfine, Affen, ein Krokodil, schwimmende Echsen, riesige Wespen (die ihre Nester in der MARADY bauten), Geier... Leider sahen wir keine Flusspferde, diese gibt es aber sicher, denn ihr Grunzen begleitete unsere Träume. Moskitos waren an dem Ankerplätzen nur in Banjul eine Plage. Hingegen haben mich die Bisse kleiner fliegender Viecher namens „Mukmuk“ oder „nosimi“ (no see me) zum Rasen gebracht. Während Ady die Attacken schadlos überstand juckten mich die Bisse noch Tage nach dem Angriff. Glücklicherweise gab es nur vereinzelt Überfälle wenn wir unvorsichtig das Licht aussen brennen liessen, und die Biester sind vor allem bei Vollmond aktiv.

Die Vogelwelt ist so vielfältig das ich zum ersten Mal in meinem Leben gerne ein Bestimmungsbuch gehabt hätte. Tauben in allen Schattierungen, Fischreiher ohne Ende, Adler... schlicht ein Paradies für Ornitologen.

Zurück in der Lamin Lodge gab es auch an der MARADY wieder einiges zu tun: Moskitonetze und Sonnenschutz für die Dachluken wurden genäht, aus der LED Weihnachtsbeleuchtung neue Positionslichter gebaut, Wäsche gewaschen (von Hand !), Mastrutscherkugeln ausgetauscht . Zudem wurde der Einbau des Wassermachers vorgenommen und Kabel im Mast in die dafür vorgesehenen Führungen gezogen.

Und zum ersten mal sahen wir die „MARADY“ in voller Grösse an Land. Auf einer Sandbank in der Lamin Lodge liessen wir uns trocken fallen. 6 Tage und Nächte machten wir uns jeweils bei Ebbe am Unterschiff zu schaffen: die Rümpfe wurden von Muscheln befreit, ein Propeller und eine Opferanode ausgetauscht und ein Riss im Ruderblatt mit Epoxy zugeklebt (nachdem das Innere des Ruders einigermassen trocken war). Bei Flut mussten dann Bug- und Heckanker frisch ausgerichtet werden damit wir mit den Rümpfen nicht wieder in den alten Löchern landeten.

Zudem mussten wir das Vorstag ersetzen, denn beim alten sind zwei Litzen gebrochen. In einem Land ohne Segler ist dies ein schwieriges Unterfangen! Glücklicherweise konnten wir das Stag über einen segelnden Hotelmanager in England bestellen. Als es endlich zum Versand bereit war, brach der Vulkan in Island aus und wir mussten eine weitere Woche warten! Die Wartezeit überbrückten wir indem wir mit unserem neu erstandenen Roller sämtliche Läden abklapperten, die Solarpanels im Angebot haben. Diese sind in Gambia relativ günstig und so rüsteten wir unsere Solar-Stromproduktion um 120W auf.

Ja, es gäbe noch so vieles zu erzählen über und aus Gambia. Wir haben die 3 Monate in diesem gastfreundlichen und sicheren Land sehr genossen! Es ist wirklich „the smiling coast of Africa“!

Nun geht unsere Reise aber weiter: wir überqueren den Atlantik zum zweiten Mal mit dem Ziel Salvador de Bahia in Brasilien. Dabei werden wir zum ersten Mal den Äquator mit der MARADY überqueren.

 
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