2012 Juli: Überfahrt von Cuba nach Carriacou
 

2012 Juli: Überfahrt von Cuba nach Carriacou/Grenada

Am 3. Juli war es soweit: Die Rümpfe waren vom Zentimeter dicken Bewuchs befreit, Wasser aufgefüllt und Früchte und Gemüse gebunkert. Ady hat in letzter Minute auch noch die Dichtungen der Luken verdoppelt. Denn dass die Fahrt zurück in die West Indies kein Sonntagsspaziergang würde, war klar.
Nachdem die Guarda Frontera nochmals überprüft hatte, dass wir weder Drogen noch illegale Passagiere an Bord haben, legten wir um 19.30 die Leinen ab.


Unter Motor verliessen wir die Bucht von Cienfuegos. Glücklicherweise ist die Ausfahrt gut betonnt, so dass man auch Nachts gefahrlos auslaufen kann. So konnten wir bei noch ruhigem Seegang, mit Geflügelsalat gefüllte Avocados mit Tomaten- und Gurkensalat geniessen.
Draussen reichte eine leichte Brise aus, um Gross und Fock zu halten. So schlichen wir uns langsam davon. Am nächsten Tag waren wir froh, dass der Wind noch nicht so recht wollte: Die elektronische Windanzeige war gebrochen und hing an der Mastspitze. Also wurde Ady hochgezogen, um das Teil zu bergen. Was auch bei leichtem Seegang kein Spass ist. Aber kurze Zeit, nachdem der Windgeber auf dem Salontisch lag, frischte der Wind auf und brachte Wellengang. Mit ca 4Bft aus Ost konnten wir einen schönen Kurs entlang der Küste Richtung Südost anlegen.

Gegen Abend bildeten sich etliche, zum Teil schwere Gewitter. Wir versuchen diesen jeweils, so gut es geht, auszuweichen, denn ein Blitzschlag wäre vor allem für die Elektronik an Bord verheerend. So war das weitere Vorwärtskommen ein wahrer Spiessrutenlauf. Zwischen den Wenden und Kursänderungen, wurde das Chili con Carne, welches schon vor der Abfahrt zubereitet wurde, verdrückt.
Am dritten Tag begann dann westlich von Cabo Cruz das Aufkreuzen gegen den Wind. Nach dem Kap konnten wir nochmals Luft holen und einen relativ guten Kurs von 125° mit 5-6kts halten. Nach 5 Stunden drehte der Wind jedoch nach Ost, die Strömung setzte wie versprochen nach Südwest und wir kreuzten Richtung Jamaica, in der Hoffnung, das dort die Windrichtung durch Thermik abgelenkt würde. Was wir in der fünften Nacht unserer Reise in Küstennähe des Rastalandes antrafen, war jedoch fast Windstille. Also dümpelten wir eine Weile, um dann, nach einem Schlag südwärts, wieder ostwärts aufzukreuzen.

Nach einer Woche hatten wir die Südküste Haitis erreicht. Hier verhalf uns, vor allem in den Abendstunden, die Thermik von Land zu einem guten Etmal von 78nm. Ein Prachtexemplar von MahiMahi landete auf den Tellern und im Kühlschrank. Wieder einmal zeigten sich am Abend etliche Gewitter. Diese kamen uns zwar nicht nahe, aber sie absorbierten auch allen Wind. Also lagen wir 15h bei und nutzen die Gelegenheit, in dem klaren Wasser zu schwimmen. Nach 9 Tagen ohne richtige Dusche war das eine wahre Wohltat! Zudem waren wir froh, dass wir die ca 2m lange Leine, welche sich als Treibgut am Backbordruder verfangen hatte, lösen konnten. Von Deck aus konnten wir nämlich nicht mit Sicherheit sagen, ob sie wirklich nur um das Ruder lag oder auch den Propeller blockierte. Wenn wir den Motor hätten starten müssen, wäre das ein Risiko gewesen. Am nächsten Morgen war noch immer kein Wind in Sicht. Aber kurz nachdem wir die Motoren gestartet hatten, kam dieser dann zurück und die Segel wurden wieder gesetzt. Zuvor erhielten wir jedoch Besuch: ein offenes Motorboot, das nicht wie ein Fischerboot aussah, mit drei Männern an Bord, kam direkt auf uns zu. Obwohl wir noch nie von Piraterie in Haiti gehört hatten, waren wir angespannt. Die Aufschrift „Food for Poor“ kann schliesslich jeder an seinem Kahn anbringen. Aber die Männer wollten wirklich nur fragen, ob bei uns alles ok sei und ob wir Lebensmittel für sie hätten. Hatten wir aber nicht und wir verabschiedeten uns, um wieder hart am Wind, gegen Schwell aufzukreuzen. Strömung hat es so nah an der Küste glücklicherweise keine.

Ady suchte „nebenbei“ auch noch nach der Ursache der Fehlfunktion unseres AIS: dieses zeigt nicht immer alle Frachtschiffe in der Nähe an, obwohl die sicher über AIS verfügen.
Natürlich wurde auch täglich der Wetterfax runter geladen. Seit unserer Abfahrt waren schon zwei Tropical Waves über uns gezogen, ohne dass wir viel bemerkt hätten. Ausser etwas Regen. Diesen nahmen wir dankbar an, denn so wurde das Deck von der rutschigen Salzlake befreit, die wir an den Füssen auch in den Salon trugen. Und auch uns selber tat eine Dusche gut. Da wir die Luken kaum öffnen konnten, ohne das zumindest Gischt den Weg in unseren Salon gefunden hätte, war bei über 30°C schon das Liegen und Lesen schweisstreibend.

Am 13. Tag unserer Reise, in der Zwischenzeit an der Südküste der Dom. Rep. erwischte es uns: Eine undefinierte Wolkenwand näherte sich uns recht schnell. Als wir zum Reffen ansetzen wollten, setzten Böen ein, die innerhalb einer Minute zu einem Sturm (korrekt ausgedrückt „Starkwind“) von bis 8 bft wurden. An Reffen war nicht mehr zu denken und so kämpfte Ady am Steuer mit je 1 Reff im Gross und Fock 1,5h in einer grauen Suppe aus Regen und Gischt gegen die Elemente. Glücklicherweise konnten sich keine grossen Wellen aufbauen und es gibt kaum Schifffahrt in diesem Gebiet. Draussen war ein Höllenlärm, während es drinnen gespenstisch ruhig war. Das Speedometer zeigte bis 12 kts an. Wir zitterten beide als das Ganze vorüber war und wieder Ruhe einkehrte! Es war uns eine Lehre, jede Tropical Wave ernst zu nehmen!!!
Glücklicherweise hatte Ady am Tag zuvor gesehen, dass der Bolzen der Baumhalterung gebrochen war. Diesen durch einen Passenden zu ersetzen erwies sich sogar als einfacher als gedacht. Der gebrochene Bolzen wäre während diesem Höllenritt sicher ganz rausgerutscht und das Segel hätte den Baum nicht halten können. Nicht nur die Solarpanelen auf dem Dach, auch das Bimini und der Geräteträger inkl. Solarpanele, Windgeneratoren und Dinghi hätten einen fallenden Baum kaum unbeschädigt überstanden. Durch die enorme Belastung des ausgestellten Grosssegles wurde das Fall dort, wo es in den Mast läuft, angescheuert. Man konnte den Schaden von unten nicht klar beurteilen. Sicherheitshalber fuhren wir während der weiteren Reise nicht mehr im ersten Grossreff.
Unter normalen Bedingungen kreuzten wir der Dom. Rep. entlang, bis wir am 18. Juli, zwei Wochen nach unserer Abreise, die Mona Passage erreichten. In solchen Durchgängen können die Strömungen zum Teil zu recht garstigen Wellen und Kursen führen. Aber da am 19. Leermond war, waren auch die Strömungen nicht so stark und trotz zunehmendem Wellengang konnten wir diese Strasse recht zügig überqueren. Etliche Frachter machten die Wache kurzweiliger, denn ohne AIS mussten wir ja wieder peilen um deren Kurse zu bestimmen. Einer kam uns relativ nahe und wurde deshalb kontaktiert. Die „Caribbean Fantasy“ hatte uns auf dem Radar und versicherte Mary, dass sie klar passieren, was dann auch der Fall war.

Ady hatte einen Tag später an der SüdWestküste Puerto Ricos in der Nachtschicht einen grösseren Schrecken gekriegt: Ein Frachter schien auf Kollisionskurs zu sein, also änderte Ady unseren Kurs. Aber der Frachter kam immer noch auf uns zu, obwohl seine Breitseite zu sehen war! Und er reagierte nicht auf unseren Ruf auf Kanal 16. Also mussten die Motoren gestartet und ohne Vorwärmen voll belastet werden. Zusammen mit den Segeln versuchten wir, mit ca 10kts nach rechts auszuweichen. Aber die Distanz von ca 500m wurde noch immer nicht grösser. Also versuchten wir es links, noch immer so schnell wie möglich. Erst als langsam sein Heck zu sehen war schien der Wachhabende zu erwachen und unser beleuchtetes Vorsegel oder ein Signal auf dem Radar wahrzunehmen. Der Frachter nahm Fahrt auf und liess sich nicht mehr treiben und verschwand in der Dunkelheit. Man muss wissen, dass ein Frachter eine Kollision mit einem Segelschiff nicht mal wahrnehmen würde. 

In der selben Nacht sah Mary auf ihrer Nachtwache einen weiteren treibenden Frachter, welcher nur Heck- und Buglicht führte. Diese Lichterführung bezeichnet ein manöverierunfähiges Schiff über 50m. Auch hier kamen wir relativ nahe, aber da wussten wir wenigstens, in welche Richtung er treibt. Von Osten her näherte sich zum gleichen Zeitpunkt auch ein Motorschiff unter 50m welches 4 weisse Lichter übereinander führte. Und dann, plötzlich, war das Motorboot in der Nacht verschwunden! Mary suchte noch lange den Horizont ab und fürchtete das unbeleuchtete Schiff könnte einen Angriff auf die MARADY im Sinn haben. Es geschah aber nichts Nennenswertes und das Schiff war nicht einfach sang- und klanglos verschwunden. Am nächsten Abend sahen wir es wieder: Es war wohl mit Ersatzteilen oder was auch immer zu dem treibenden Frachter gefahren und als es auf der Rückseite von diesem anlegte, konnten wir es natürlich wegen der hohen Bordwand von uns aus auch nicht mehr sehen.

Südlich Puerto Rico bekamen wir dann das gesamte Ostwind Paket: Wind mit Stärke 5, Schwell und über 2m (7-8ft) Wellen. Zu weit nach Süden konnten wir nicht, denn da setzt Strömung gen Westen und im Norden begrenzte die amerikanische Insel mit ihrem 3 Meilen Limit unsere Schläge. So brauchten wir zermürbende 3 Tage um 100NM nach Osten zu kommen. Immerhin hatten wir über VHF sehr gute Wetterprognosen der Amerikaner. Hingegen sind bei der Coast Guard wohl Schnellredner für die Durchsagen angeheuert worden: Ihre PanPan Meldungen waren nicht verständlich. Bei einer konnten wir nach dem 5. Mal heraushören, dass ein 17jähriger Schwarzer vermisst wird. Wo war immer noch nicht decodierbar...

Danach wurde es deutlich besser! Der Wind wehte gnädigerweise aus OstNordOst, nach wie vor mit rund 4 bft (wenn auch hie und da mit Pause) und wir konnten wieder Etmale von über 50NM schreiben. Auch der Wellengang reduzierte sich allmählich auf unter 1,5m (4-5ft). Da der Kurs immer noch nicht ausreichte um direkt nach Carriacou/Grenada zu gelangen, mussten wird doch noch einige Male aufkreuzen. Aber wie geplant konnten wir die Aves Insel, die eigentlich nur ein Steinhaufen mitten Meer mit einem Leuchtfeuer ist, auf der Steuerbordseite passieren.

Unter diesen Bedingungen und mit der Aussicht, demnächst unser Ziel Carriacou zu erreichen, wurden wir übermütig. Da die Wettervorhersage für die kommende Nacht und den nächsten Tag keine Änderung prognostizierte, liessen wir das Gross in der Nacht (entgegen unserer Gepflogenheiten) ungerefft. Und mussten es prompt büssen: am nächsten Morgen entdeckten wir, dass die Halterung des Backbordstag am Mast angebrochen war! Wenn diese Halterung bricht ist die Gefahr, dass der Mast fällt und massiven Schaden anrichtet, gross. Also erst mal mit Fallleinen sichern und reffen. Und die letzten gut 100NM im 3. Reff fahren. Naja, wir wussten dass wir unsere in der Zwischenzeit 15 jährigen Stage ersetzen müssen und wir sind froh, dass sie bis am Ende dieser Reise durchhielten.

Am nächsten Morgen sahen wir bei Union Island das erste Segelschiff seit wir Cienfuegos verlassen hatten. Und noch vor Mittag liessen wir nach 25 Tagen auf See und über 2000NM (3'700km) unseren Anker in der Tyrrell Bay/Carriacou fallen. Dies war die bisher längste (in Tagen) und härteste Etappe unserer Reise. Aber wir möchten weder den Aufenthalt in Cuba noch die Herausforderung der Rückreise missen, und sind dankbar für alle Erfahrungen, die wir sammeln durften. Und wir sind stolz, dass wir die gesamte Strecke ohne Motoren gesegelt sind!

 

 

 
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